Spritzguss

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Spritzguss (Englisch: injection molding) ist auch bekannt als Spritzgießen oder Spritzgussverfahren. Spritzgießen ist ein Fertigungsverfahren, auch Urformverfahren genannt, welches überwiegend in der Kunststoffverarbeitung eingesetzt wird. Flexibilität und Wirtschaftlichkeit machen das Spritzgießen zu einem weit verbreiteten Verfahren bei der Massenherstellung von Kunststoffteilen mit der Spritzgussmaschine (siehe auch Hersteller Spritzgießmaschinen und Spritzgusswerkzeug ).
Synonym(e): Spritzgießverfahren, Spritzgießen



Spritzguss Kunststoff
Prozessablauf des Spritzgussverfahrens. Quelle: Proto Labs

Mit einer Spritzgießmaschine wird das Material verflüssigt (plastifiziert) und unter Druck in das Spritzgießwerkzeug eingespritzt. Das Material härtet im Werkzeug aus oder verändert durch eine Vernetzungsreaktion den Aggregatzustand. Das Fertigteil kann nach dem Öffnen des Werkzeugs entnommen werden. Form und Oberflächenstruktur des Werkstücks werden durch den Hohlraum (Kavität) des Fertigungsteils beeinflusst. Mittlerweile ist die Herstellung von Fertigteilen mit einem Gewicht zwischen ein paar Gramm und über 100 Kilogramm möglich. Ein großer Vorteil ist die kostengünstige Herstellung von Formteilen in großer Auflage.

Der Spritzguss - und vor allem die spezielleren Verfahren - bieten eine große Auswahl an Oberflächenstruktur und Form:

  • glatte Oberflächen
  • Muster
  • Gravuren
  • Farbeffekte
  • Narbungen

Die Spritzguss-Formteile lassen sich in drei Bereiche kategorisieren. Qualitätsmerkmale aller Bereiche sind Festigkeit, Oberflächenbeschaffenheit, Formteilmaße, Formteilgewicht und Verzugserscheinungen.

  1. A-Teile = Präzisionsteile, die höchsten Anforderungen standhalten.
  2. B-Teile = Technische Formteile, die hohen Anforderungen standhalten.
  3. C-Teile = Teile, die eine eher einfache geometrische Form aufweisen, aus Standardkunststoffen hergestellt sind und geringen Anforderungen standhalten.

Hauptsächlich werden beim Spritzguss Kunststoffe verarbeitet, die sich in die Bereiche Thermoplaste, Duroplaste und Elastomere einteilen lassen.

Thermoplast-Spritzgießen

Das Thermoplast-Verfahren zeigt das grundlegende Prinzip des Spritzgießvorgangs und hat die größte wirtschaftliche Bedeutung. Daher ist es auch das am häufigsten verwendete Verfahren zur Kunststoffverarbeitung. Es werden granulatartige Kunststoffe aus dem Trichter in die Schneckengänge transportiert. Im Zylinder erfolgt die homogene Schmelze. Die Schmelze wird dann in den Hohlraum des temperierten Spritzgießwerkzeugs gedrückt. Anschließend kühlt sie ab und das fertige Formteil wird mit einem Werkzeug befreit.

Duroplast-Spritzgießen

Duroplaste härten meistens durch Wärme aus und können danach in keine neue Form umgewandelt oder aufgeschmolzen werden. Daher unterscheidet sich dieses Verfahren vom Thermoplast-Spritzgießen bei den Betriebsparametern. Denn die noch nicht ganz ausgehärtete Masse muss mit niedriger Temperatur (30-110°C) in eine Form gespritzt werden, in der sie dann mit höherer Temperatur (130-250°C) aushärtet. Das Duroplast-Spritzgießen ist besonders bei einer Realisierung von Wanddicken bis zu 50 mm geeignet.

Elastomer-Spritzgießen

Das Elastomer-Spritzgussverfahren läuft von den Betriebsparametern ähnlich ab wie das Duroplast-Verfahren, da Elastomere auch durch den Einfluss von Wärme aushärten. Elastomere werden in Schneckenspritzgießmaschinen verarbeitet. Das Material wird in Pulverform oder bandförmig eingeführt. Der Zylinder muss mit Wasser gekühlt werden, damit kein vorzeitiges Aushärten möglich ist. Dieses Kunststoffverarbeitungsverfahren ist sehr wirtschaftlich.

MIM - Metal Injection Moulding oder auch Metallpulverspritzguss

Ein weiteres Gussverfahren ist der Druckguss.

Vorteile

  • sehr schnelles Verfahren, um aus Werkstoffen Kunststoff-Teile fertigen zu lassen
  • optimal für Präzisionsteile
  • keine Nachbearbeitung notwendig
  • Nachhaltig
  • Automatisierbar

Vor allem bei der Produktion von Formteilen in großer Stückzahl ist der Spritzguss unschlagbar. Hier liegt aber gleichzeitig auch der Nachteil. Die Produktion einer Spritzgussform ist mit hohen Kosten verbunden. Bei einer großen Serienproduktion relativiert sich der Investitionspreis in die Form durch die hohe Stückzahl. Bei Spritzgussteil-Kleinserien sind die Kosten jedoch verhältnismäßig hoch pro hergestelltes Teil.

Prozessablauf / Verfahren Spritzgießen

Plastifizieren und Dosieren

Die Formmasse, beispielsweise das Kunststoffgranulat bei Kunststoffspritzguss, wird über einen Trichter in die rotierende Schnecke gefüllt. Dort wird das Granulat durch die Rotation der Schnecke sowie Wärme geschmolzen und in Richtung Schneckenspitze gefördert. Die Schnecke bewegt sich axial und beschreibt sich zunächst rückwärts aus der geschmolzenen Masse heraus. Die Rotation der Schnecke sorgt dafür, dass sich die Kunststoffschmelze verdichtet und homogenisiert. Ist das Volumen für das zu fertigende Werkstück erreicht, stellt sich die Rotation der Schnecke ein und der Dosiervorgang wird beendet.


Veranschaulichung des Prozessablaufs beim Spritzguss



Einspritzen

Nach dem Abschluss des Dosiervorgangs wird das Einspritzen eingeleitet. Hierbei wird die Spritzeinheit an die Schließeinheit herangefahren. Durch den dabei entstehenden Druck wird die Schmelze durch die Düse und das Angusssystem des Werkstückes in dessen Hohlraum gedrückt. Die Kavität dient als Formgeber für das fertige Werkstück. Die Rückstromsperre verhindert, dass Kunststoffschmelze zurück läuft. Die flüssige Masse wird beim Einlaufen in das Werkzeug, direkt an dem Ort, an dem sie die Werkzeugwand berührt, gekühlt. Sie bleibt dann direkt dort kleben. Durch den immer kleiner werdenden Schmelzkanal wird die nachrückende Schmelze mit größerer Geschwindigkeit in das Fertigungsteil gedrückt. Die dadurch erzeugte Schergeschwindigkeit lässt die Schmelze leichter fließen.

Abkühlen und Nachdrücken

Beim Spritzguss hat die Schmelze eine Temperatur von 200 bis 300° Celsius. Das formgebende Werkzeug hat eine Temperatur von 20 bis 120° Celsius und ist damit deutlich kühler als das flüssige Material. Dadurch kühlt die Schmelze in der Form ab. Da sich das Volumen beim Erkalten verringert, wird Schmelze - auch nachdem die Form vollständig gefüllt ist - nachgedrückt. Der Volumenrückgang wirkt sich auf Maßhaltigkeit und Oberflächenqualität des Werkstücks aus. Das Nachfüllen kann bis zum Siegelpunkt (also bis der Anguss erstarrt ist) durchgeführt werden.

Ist das Nachdrücken und Abkühlen beendet, wird die Düse der Schnecke geschlossen; so kann keine Schmelze mehr austreten. Zudem kann so im Schneckenzylinder (auch Plastifizierzylinder genannt) die Plastifizierung und Dosierung für das nächste Fertigungsteil beginnen. Das Material kühlt in der Spritzgussform so lange ab, bis auch der innere Kern ausgehärtet ist.

Entformen

Der letzte Prozessschritt des Verfahrens ist das Entformen. Beim Entformen wird das erkaltete Fertigungsteil aus der Form geworfen (Schüttgut) oder mit Handlinggeräten herausgenommen und ist zur Weiterverarbeitung bereit. Bei nahezu allen Werkstücken muss der Anguss noch entfernt werden. Alternativ ist auch angussloses Spritzgießen möglich. Das Werkzeug wird nach dem Entformen wieder geschlossen und für den nächsten Einsatz bereit.

Schließeinheit

Die Schließeinheit, auch Schließe genannt, besteht im Normalfall aus drei Platten, die auf dem Maschinenrahmen senkrecht in einer Achse angeordnet sind.

Die feste Aufspannplatte ist der Spritzeinheit am nächsten. Sie trägt die Hälfte des Spritzguss-Werkzeugs auf der Düsenseite. Die Platte hat ein Loch in der Mitte, durch welches die Düse an das Werkzeug fahren kann um anzudocken. An die bewegliche Aufspannplatte ist die zweite Hälfte des Werkzeugs, die Auswerferseite, montiert. Durch Hydraulik oder Mechanik wird diese Platte richtung feste Aufspannplatte geschoben, wodurch die beiden Werkzeughälften zusammengeschoben werden. Man bezeichnet den Vorgang daher auch als Zufahren. Die dritte Platte ist die Stirnplatte, mit einer abstützenden Wirkung. Diese ist nötig für den Kraftaufbau, den zwischen der Stirnplatte und der Aufspannplatte befindet sich der Kniehebel, beziehungsweise der Hydraulikzylinder.

Die an der Schließeinheit wirkenden Kraftarten werden nach DIN 24450 unterschieden in:

  • Schließkraft
  • Zuhaltekraft
  • Auftriebskraft
  • (maximale) Werkzeugöffnungskraft
  • Auswerferkraft

Material zum Spritzgießen

Es werden beim Spritzgussverfahren thermoplastische Kunststoffe durch Additive oder Füllstoffe modifiziert. Füllstoffe sind teilweise auch Glasfasern oder sogar Glaskugeln. Die verschiedenen Kunststoffarten finden für verschiedene Bereiche Anwendung:

  • Polypropylen (PP) für Stoßstangen oder Armaturen
  • Polycarbonat (PC) oder Plexiglas (PMMA) für transparente Teile, wie Fahrzeug-Scheinwerfer oder Rückleuchten
  • Polystyrol (PS) und dessen Copolymere werden bei Spielzeug, wie Lego-Steinen, oder bei Haushaltsgeräten
  • Polyamid (PA), Polyoxymethylen (POM) sind im Maschinenbau und in der Elektrotechnik im Einsatz

Speziellere Spritzgussverfahren

Die spezielleren Verfahren sind Erweiterungen der oben erläuterten Grundverfahren.

  • Spritzprägen
  • Mehrkomponenten-Spritzgießen (In-Moid-Verfahren) Herstellung von teilen aus unterschiedlichen Kunststoffen in einem Workflow.
  • Innendruck-Spritzgießen
  • Schmelzkern-Spritzgießen
  • Pulverspritzgießen
  • Extrusionsspritzgießen

Problematik beim Spritzguss

Je nach Wahl des Verfahrens und Werkstoffes können folgende Probleme auftreten:

  • Angusshöfe, die eine abweichende Oberflächenstruktur haben. Grund dafür kann eine zu hohe Einspritzgeschwindigkeit oder geringe Prozesstemperatur sein.
  • Einfallstellen oder Verzug kann beim Abkühlen entstehen.
  • Lufteinschlüsse entstehen durch schlecht gewählte Bauteilgeometrie.

Arbeitsschutz

Beim Umrüsten oder Instandhalten sowie beim Entnehmen von Proben und Auftreten von Leckagen, kann es zu Verschmutzung der Luft an der Maschine kommen. Dies ist für die Mitarbeiter, die die Instandhaltungsmaßnahmen verüben, eine Gefahr. Außerdem gibt es bei der Verarbeitung thermoplastischer Kunststoffe heiße Oberflächen und erhitzte Kunststoffe, die in der Gefährdungsbeurteilung berücksichtigt werden müssen. So können Mitarbeitern die besten Schutz- und Sicherheitsmaßnahmen geboten werden.

Bekannte Marken

Wichtige Unternehmen im Spritzguss-Bereich sind z. B. Protolabs und Igus. Die Firma Lösch stellt Einzelstücke oder Serienfertigungen im Spritzguss her, z. B. Silikonspritzgussteile, Kunststoffspritzteile und optische Bauelemente aus Silikon und Kunststoffen. Die Hintsteiner Group fertigt u.a. Prototypen und Kleinstserien aus Carbon oder Kunststoff an. Die Herstellung der Produkte erfolgt mit Technologien wie den Spritzguss, Vakuumguss oder Aluminiumdruckguss. Zu den Leistungen der Hintsteiner Group zählt Bauteil Engineering, Moldflow-Simulation, Werkzeugkonstruktion, Formenbau / Werkzeugbau und Teilefertigung.

Spritzgussteile können häufig auch online berechnet und angefragt werden. Die Spritzguss-Automation ist in der Industrie momentan sehr gefragt.

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