Zeiterfassungssysteme
Spätestens seit dem EUGH-Urteil im Mai 2019 ist die Nachfrage bezüglich Zeiterfassungssystemen in Deutschland enorm gestiegen. Unternehmen können mit dem passenden Zeiterfassungssystem ihr Personal einfacher einplanen und Mitarbeiter ihre Arbeitszeit flexibler gestalten. Stift und Papier sowie Stechuhren weichen der digitalen Arbeitszeiterfassung, die allen Beteiligten viele Möglichkeiten in der modernen Arbeitswelt bieten. Wichtig hierbei ist es, die verschiedenen Ansprüche zu definieren, um das passende Zeiterfassungssystem für Ihre Firma zu finden.
Zeiterfassungssysteme können für die Zeiterfassung, Projektplanung, Urlaubsverwaltung, Zutrittskontrolle oder Personaleinsatzplanung eingesetzt werden. Dabei sind diese Funktionen entweder einzeln zu haben oder in einem kompakten Arbeitszeiterfassungssystem zu finden. Im Rahmen der Zeiterfassung spielt auch das Zeitmanagement eine wichtige Rolle.
Anforderungen an Zeiterfassungssysteme
Die Größe eines Unternehmens sowie die spezifischen Anforderungen an die Mitarbeitenden spielen eine wesentliche Rolle bei der Wahl eines passenden Zeiterfassungssystems. Ob im Büro, im Home-Office oder während einer dienstlichen Reise und je nach Bedarf am Smartphone, Tablet oder PC. Zeitdaten müssen medienbruchfrei erfasst werden können und gleichzeitig den gesetzlichen Bestimmungen oder betrieblichen Regeln und Prozessen im System entsprechen. Denn Firmen benötigen die Arbeitszeitdaten für Planung, Controlling und Vergütung.
Vorteile für Unternehmen
- Grundlage für eine gerechte Vergütung und korrekte Abrechnung bei verschiedenen Arbeitszeitmodellen
- Bessere Personalplanung bei Überstunden-Aufkommen oder saisonalen Schwankungen (→Transparenz)
- Einfache Übertragung der Zeitdaten an Lohnabrechnung, Rechnungsstellung (Schnittstellen zu ERP System-Systemen)
- Zuordnen von Arbeitszeiten zu den verschiedenen Projekten und Kundenaufträgen zur genauen Berechnung der Tätigkeit/Aufgabe
- Urlaubs-, Krankheits- oder Zeitkontostände liefern eine perfekte Basis für das Controlling und die Jahresplanung
- Einfache und vollständige Weitergabe an die Versicherung bei Krankheit oder einem Unfall.
- Zuverlässige Auskunft über Orte der Mitarbeiter (Büro, Homeoffice, Dienstreise). Wer arbeitet wann und wo?
Vorteile für Mitarbeiter
- Mitarbeitermotivation: Beschäftigte, die freier arbeiten können, handeln eigenverantwortlich, freuen sich über beschleunigte Genehmigungsprozesse, verfügen über transparente Zeitdaten und schätzen die flexible Arbeitsgestaltung dank moderner Zeiterfassungssysteme.
- Integration der Mitarbeiter: Beschäftigte haben keine langen Prozesse, keinen Gang in die Personalabteilung und eine schnelle Bearbeitung ihrer Anliegen. Dies begünstigt, dass Arbeitnehmer den Urlaub selbst beantragen, die Arbeitszeiten korrigieren oder die Schichtplanung, Dienstplanung anpassen.
- Prozesse vereinfachen und optimieren: Mitarbeiter erfassen ihre Arbeitszeiten selbst und das von überall - ob am Desktop oder Smartphone. Dadurch sind Zeitbuchungen wesentlich exakter; das Nachfassen der Zeiten bei einem Außendiensteinsatz entfällt und die Tätigkeit im Home-Office ist jederzeit möglich.
Checkliste
Neben den rechtlichen Fragen sollte ein Unternehmen vor dem Kauf eines Zeiterfassungssystems überlegen, wo und wie die Mitarbeiter die Arbeitszeiten erfassen sollen. Weiterhin sollte geklärt werden, inwieweit die Arbeitszeiterfassung Prozesse optimieren kann und zur Personaleinsatzplanung genutzt wird und somit langfristig Kosten spart. Folgende Vorgehensweise kann die Suche nach dem richtigen Zeiterfassungstool für die Stundenerfassung erleichtern:
Zeiterfassungs-Audit: Kosten-Leistungs-Rechner
- Berechnung des derzeitigen Zeitaufwandes bei Sammeln und Übertragen von Zeiterfassungsdaten
- Berechnung der monatlichen Kosten für die Zeiterfassung
- Rechtliche Grauzonen der derzeitigen Arbeitszeiterfassung
- Mangelnde Erfüllung der benötigten Anforderungen
- Bestehende Defizite im Qualitätsmanagement und Controlling
Erstellung eines Anforderungskatalogs
- Unternehmensgröße: Flexible Skalierbarkeit des Systems je nach Mitarbeiterzahl
- Arbeitszeitmodell: Schichtbetrieb, Auftragsarbeiten, Job-Sharing, Home-Office usw.
- Schnittstellen zu anderen Systemen: Lohnbuchhaltung, ERP System-Systeme
- Projektverwaltung: Nachweis der Arbeitszeit, Monitoring des Arbeitsaufwandes
- Personaleinsatzplanung: Dienst- und Schichtpläne, Anwesenheitspläne
- GPS-Module: Abbildung von Arbeitsorten oder Fahrzeugorten
- Architektur: Client-Server-Lösungen oder Cloudbasierte Anwendungen
- Controlling: Betriebswirtschaftliche Auswertungen der Personalkosten
Übergreifende Fragen
- Welches Prinzip zur Stundenerfassung ist für meine Firma ideal? Offline oder Online?
- Welche Funktionen werden unterstützt?
- Wie kann ich über die Zeiterfassungssoftware bestimmte Auswertungen pro Mitarbeiter abrufen?
- Welche Zeitwirtschaftssysteme sind DSGVO-konform?
- Wer hilft mir bei Fragen und technischen Problemen?
- Wo wird mein Zeiterfassungssystem installiert (PC, Server, Cloud?)
Welche Arten von Zeiterfassungssystemen gibt es?
Bei der Auswahl des richtigen Zeitfassungssystems sollten sich Firmen die Frage stellen, welche Arbeitszeiterfassung zu ihrem Unternehmen passt.
Analoge Zeiterfassung
Arbeitsstunden werden via Stundenzettel oder Stechuhr/Stempeluhr erfasst (viel manuelle Nacharbeit, preisgünstig, stationär begrenzt, meist für einen Kleinbetrieb). Die Arbeitnehmer schreiben ihre Stunden größtenteils selbst auf.
Elektronische Zeiterfassung
Via Terminals (Chipkarte, NFC-Technologie usw.) oder Fingerabdruck / Gesichtserkennung:
- RFID-Chip: funktioniert kontaktlos, als Schlüsselträger (Token) oder Scheckkarte
- Fingerabdruck & Gesichtserkennung: modernste Art der Zeiterfassung, keine Speicherung biometrischer Bilder
Mobile und browserbasierte Zeiterfassung
Die mobile Zeiterfassung kommt dann zum Einsatz, wenn Mitarbeitende während der Arbeit nicht nur am Schreibtisch vor dem Rechner sitzen, sondern unterwegs sind. Bestes Beispiel dafür sind Handwerker oder Beschäftigte im Außendienst. Die Zeiterfassung kann dann über ein mobiles Endgerät in App- & Cloudlösungen erfasst werden . Die mobile Arbeitszeiterfassung lässt sich mit Android Geräten als auch iOS Geräten sowie dem Laptop durchführen. Für kleinere Unternehmen mit einer überschaubaren Anzahl an Beschäftigten, ist es sinnvoll die Zeiterfassung über Web-Applikationen zu steuern. Die Zeiterfassung kann online vom Mitarbeiter selbstständig übernommen werden. Gerade bei Agenturen, die ihre Zeiten auf Kunden-Projekte buchen ist die Auftragszeiterfassung sinnvoll. Die mobile und webbasierte Zeiterfassung mittels SaaS-Lösungen (Software as a Service) ist immer an eine funktionierende Internetverbindung gebunden,hat aber den Vorteil, dass keine eigenen IT-Fachkräfte zur Wartung benötigt werden.
Zeiterfassungssystem in Kombination mit Zugangskontrolle
Bei dieser Kombination wird die Zeit für die Angestellten erfasst, die Zutritt zu dem bestimmten Bereich haben. Beide Systeme sind miteinander verbunden.
Preise & Kosten
Wichtig ist, dass immer darauf geachtet werden muss, wie viele Karten, Uhren, Zugänge (Zeiterfassungssoftware) oder RFID-Chips/-Karten eingesetzt werden können. Daher sind Angaben für die Kosten meist auf das minimalste bzw. die Basis-Geräte/den Basis-Umfang begrenzt. Je nach Art der Zeiterfassung kommen andere Kosten zustande. Hier empfiehlt es sich daher bei Herstellern oder Anbietern anzufragen.
Oftmals sind Kleinbetriebe mit einem begrenzten Budget ausgestattet, weshalb sich einfache und zumeist digitale Lösungen anbieten. Die elektronische Stundenerfassung ist damit gerade für Kleinbetriebe eine gute Option, um Kosten in der Anschaffung sowie dem laufenden Betrieb zu sparen.
Kostenlose Zeiterfassungssysteme
Es gibt neben den kostenintensiven Varianten auch kostenlose Zeiterfassungssysteme. Dazu zählen klassisch Stift und Papier, aber auch Tabellenkalkulationen, Apps oder Browser-Zugänge sind manchmal kostenlos zu erhalten. Beachtet werden muss, welchen Funktionsumfang solche kostenlosen Zeiterfassungstools bieten. Besondere Vorsicht gilt für:
- die Anzahl freier Mitarbeiter im System
- die Finanzierung durch bspw. Werbung
- den Ablauf der Testphase eines kostenlosen Testzugangs bevor man ein Abonnement abschließt (Nachteil: Verpassen der Kündigungsfrist)
- kostenlose Software, die ohne physische Produkte (bspw. Chipkarten-Lesegerät) nicht funktioniert
Zeiterfassungssysteme im Vergleich
Die Erfassung der Arbeitsstunden mit verschiedenen Systemen auszuprobieren, lohnt sich. Gerade nach der Auswahl eines möglichen passenden Tools mithilfe der Checkliste lohnt sich der Test eines Zeiterfassungssystems. Dazu bieten verschiedene Hersteller und Online-Shops die Möglichkeit, mithilfe kostenfreier Demosoftware und Demogeräten zu arbeiten.
Auswahl / Kriterien
Diese Tabelle bietet einen groben Überblick über Zeiterfassungssysteme und die zu beachtenden Kriterien. Wichtig: Eine Zuordnung zu einer bestimmten Zielgruppe ist nicht allgemeingültig. Daher ist die Erstellung eines Anforderungsprofils für jedes Unternehmen individuell und essentiell. Die folgende Tabelle bietet eine erste Übersicht und grobe Vorsortierung.
System | Zielgruppe | Komfort: Nutzer | Komfort: Admin | Preis |
---|---|---|---|---|
Stundenzettel | kleine Unternehmen | 2/5 | 1/5 | 5/5 |
Hardware | große Unternehmen | 3/5 | 5/5 | 2/5 |
App | KMUs | 4/5 | 5/5 | 3/5 |
Software | KMUs | 4/5 | 5/5 | 3/5 |
Online | KMUs | 5/5 | 5/5 | 3/5 |
Anbieter Zeiterfassungssysteme
Zeiterfassungssysteme beinhalten mittlerweile auch Add-ons zur Schichtplanung, Dienstplanung. Außerdem werden häufig zusätzlich Tools zur Projektzeiterfassung und Urlaubsverwaltung integriert. Viele Anbieter von Zeiterfassungssystemen und Zeiterfassungssoftware bezeichnen sich als Marktführer. Es gibt für unterschiedliche Anwendungsfälle bekannte Anbieter und Entwickler wie:
- TimePunch: Zeiterfassung für verschiedene Branchen
- Novachron: mobile und webbasierte Zeiterfassung
- Personio: beinhaltet auch eine digitale Personenakte, Fehlzeitenverwaltung, Blick auf Überstunden sowie Lohn- und Gehaltsmanagement
- Megzeit: Fokus auf Stundenaufzeichnungen und Abwesenheitsplanung, Zeiterfassung mit RFID-Chip/-Karte, Fingerabdruck oder per App
- TimeTac: webbasiertes Zeiterfassungssystem, Verwendung via PC/Mac, App und NFC-Transponder
- Safescan / TimeMoto: Komplettlösungen für die Stundenerfassung (RFID, Fingerprint, Gesichtserkennung, Mifare, Windows / PC, Webbrowser, Schlüsselanhänger & mehr)
- Clockodo: Nutzer erhalten eine eigene Stempeluhr, mit Pausenerfassung, Urlaubs- und Krankheitstagen und weiteren Abwesenheiten
- Ringer: verschiedene Zeiterfassungssysteme (für Handy bzw. Tablet, als mobile oder App-Version)
- Interflex: Systeme für Zeiterfassung, Zeitwirtschaft, Personaleinsatzplanung, Bedarfsprognose und Produktivitätsanalyse sowie Zutrittskontrolle
- Schäfer Shop: Zeiterfassungssysteme, Zeiterfassungsgeräte sowie Zeiterfassungszubehör
- Conrad: bietet Zeiterfassungsgeräte u.a. von Timemaster, Safescan, Crossmatch oder Identsmart an
- HRworks: webbasierte Software für Personalprozesse (Zeiterfassungstool, Personalverwaltung, Corporate Benefits); HRworks basiert auf SaaS (Software as a Service)
Faktoren für passende Anbieter
Neben der Checkliste, welche das Setting sowie die Anforderungen eines Unternehmens klarstellt, ist die Auswahl eines passenden Anbieters von verschiedenen Faktoren abhängig. Dazu zählen:
- Erfahrungen mit dem jeweiligen System und der Technik: Welche Profession bringt ein Anbieter mit?
- Installation und Inbetriebnahme: Wie einfach und intuitiv sind die Systeme einzuführen und anzuwenden?
- Support & Beratung: Welche Unterstützung erhält man durch den entsprechenden Dienstleister? Benötigt man im eigenen Betrieb einen (IT-)Experten für Zeiterfassungssysteme? Werden Schulungen (Administration, Bedienung, ...) angeboten?
- Erweiterbarkeit: Lassen sich die Systeme erweitern oder sind sie Standard-Produkte aus dem Büro-Versandhandel?
Welche gesetzlichen Vorschriften müssen beachtet werden?
- Ist das Zeiterfassungssystem gesetzeskonform?
- Erfüllt das System die gesetzliche Dokumentationspflicht (EUGH-Gesetz)?
- Wird das Zeiterfassungssystem der Datenschutz-Grundverordnung gerecht - sind die persönlichen Daten wie Adresse, Geburtsdatum, Steuerliche Identifikationsnummer usw. des Mitarbeiters geschützt?
- Komme ich der Nachweispflicht bezüglich der Arbeitnehmer und Kunden nach?
Wie können Unternehmen durch ein Zeiterfassungssystem Kosten sparen?
Kosten entstehen bereits, wenn kein zeitgemäßes Zeiterfassungssystem eingesetzt wird. Denn täglich muss der Arbeitnehmer handschriftlich 2-5 Minuten für die Arbeitszeiterfassung opfern und wenn die Personalabteilung die Zeiten untersuchen möchte, fallen weitere Kosten an. Bei einer etwaigen Übertragung der Stundenzettel nach Excel steigern sich die Kosten noch weiter. Eine transparente Aufstellung der Arbeitskosten zeigt Professionalität und wirkt sich auf den Umsatz aus. Projekte können in Echtzeit beim Kunden vor Ort fixiert werden. Durch die Auswertungsmöglichkeiten kann eine Zeiterfassungsystem auch eingesetzt werden, um Prozesse zu optimieren. Des Weiteren können durch eine optimale Planung des Personaleinsatzes intern Kosten reduziert und Beschäftigte stärker motiviert werden, wenn sie eine eigene Kontrolle über ihre Arbeitszeiten und Urlaubstage etc. erhalten.
Rechtliche Rahmenbedingungen des EUGH zur Arbeitszeiterfassung
Zeiterfassungspflicht: Im Mai 2019 hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass die Erfassung der Arbeitszeit für alle Unternehmen in den Mitgliedsstaaten verpflichtend ist. Hintergrund ist, dass Arbeitnehmer vor Missbrauch der gesetzlichen Höchstarbeitszeiten besser geschützt werden sollen. Dies wirft einige Fragen auf, da auch alle deutschen Firmen ein Zeiterfassungssystem einführen müssen, das die Arbeitszeit der Arbeitnehmer vollständig, zuverlässig und zugänglich dokumentiert. Das Hugo Sinzheimer Institut für Arbeitsrecht hat ein Gutachten erstellt, das die verpflichtende Wirkung in Deutschland bestätigt. Eine rechtskonforme, transparente Zeiterfassung ist somit ein MUSS und ein wesentlicher Bestandteil für jede Firma. Ein Zeiterfassungssystem bringt allerdings auch viele positive Punkte mit sich, da Unternehmen beispielsweise durch eine optimierte Personaleinsatzplanung Kosten sparen und Mitarbeiter ihren Arbeitsalltag flexibler gestalten können.
Im Arbeitszeitgesetz (ArbZG) findet man wichtige Informationen zu Arbeitszeiten und Pausen am Tag, Ruhezeiten (Zeiten zwischen Ende der Arbeit und Arbeitsbeginn), Arbeitsschutz & Co. Arbeitgeber besitzen die Pflicht, sich ausführlich mit rechtlichen Aspekten und Regelungen auseinanderzusetzen, um ihre Arbeitnehmer zu schützen.