Gelenkwelle

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Die Gelenkwelle ist ein zylinderförmige Maschinenelement für die Drehmomentübertragung zwischen versetzten Antriebsachsen. Sie bestehen in den meisten Fällen aus zwei Kreuzgelenken und werden überwiegend in Kraftfahrzeugen und Landmaschinen verbaut. Der daraus resultierende Beugewinkel kann sich im laufenden Betrieb auch verändern.
Synonym(e): Kardanwelle



Gelenkwelle als Gelenkwellenkupplung
Gelenkwellenkupplung von Welte

Funktion und Aufbau

Gelenkwellen dienen der Kraftübertragung von einem Antriebselement (z. B. Motor) zu einem ausführenden Gegenstand wie ein Rad oder Maschinenteil. Eine Hauptgelenkwelle setzt sich zusammen aus zwei Flanschen (Flanschmitnehmer), zwei Kreuzgelenken (Zapfenkreuzgelenke oder Kardangelenk), einem Zapfenmitnehmer, einer Dicht- und Nabenhülse, ggf. aus einem Rohr, Metallbalg und einem Wellenmitnehmer. Die Welle-Nabe-Verbindung ist ausschlaggebend für die Effektivität der Kraftübertragung und wirkt sich auf die Laufruhe aus. Die gängigsten Flanschanschlüsse bei Gelenkwellen unterscheiden sich in DIN, SAE & KV (Kreuzverzahnung). Während sich DIN Anschlüsse durch ein metrisches System und durch eine Innenzentrierung auszeichnen, unterscheiden sich SAE Flansche durch Zollmaße sowie einer Außenzentrierung. KV-Flansche besitzen im Gegensatz zu DIN und SAE Flanschen (Kraftschluss) einen Formschluss, was zum Vorteil hat, dass der Flansch i. d. R. mit vier Schrauben befestigt werden kann. Vereinzelt gibt es noch Sonderanschlüsse (z. B. Kombination aus Kraft- und Formschluss) - diese sind jedoch eher die Ausnahme.

Kreuzgelenke (Zapfenkreuzgelenke oder Kardangelenke) unterscheiden sich in der Sicherungsart (z. B. Innensicherung, Außensicherung, Deckelsicherung usw.) und der Schmierart (z. B. Wartungsfrei, Außenschmierung, Lateralschmierung, Zentralschmierung). Zum Schutz vor äußeren Umwelteinflüssen, etwa einem Steinschlag, wird häufig (allem voran bei landwirtschaftlichen Zapfwellen für bspw. Traktoren) zusätzlich ein Gelenkwellenschutz um die Welle montiert. Um stets die Qualität der Produkte zu gewährleisten, sollte dieser Schutz regelmäßig erneuert werden (nach etwa 250 Stunden).

Überlastung von Gelenkwellen - von GRANIT PARTS


Einsatzgebiete - Wo werden Gelenkwellen verwendet?

Industriegelenkwellen finden unter anderem Anwendung in der Antriebstechnik, Fertigungstechnik, Agrar-/Landwirtschaft, Forstwirtschaft sowie im Maschinen- und Anlagenbau. Generell werden sie überall dort eingesetzt, wo eine Kraft zwischen An- und Abtriebsachse übertragen wird und dabei ein Winkelversatz oder eine Relativbewegung kompensiert werden muss. Sie dient also bspw. als Übertragungselement zwischen einem Nutzfahrzeug und einer Arbeitsmaschine. Gerade in Fahrzeugen mit Frontmotor und angetriebener starrer Hinterachse muss eine Verbindung zwischen Getriebeausgang und dem Differential der angetriebenen Hinterachse beweglich ausgeführt werden, um die bei der Achsbewegung auftretenden Längendifferenzen mithilfe eines sogenannten Schiebestücks ausgleichen zu können.

Gelenkwellenart Kardanwelle
Kardanwelle von Welte

Neben Pkws sind weitere Einsatzgebiete für Gelenkwellen:

  • Nutzfahrzeuge
  • Baumaschinen
  • Land- und Erntemaschinen wie Traktoren und Mähdrescher
  • Eisenbahnen
  • Schiffe
  • Industrieanlagen (z. B. Stahl- und Walzwerke)
  • Sondermaschinen
  • Prüfmaschinen
  • Krananlagen
  • Windkraftanlagen

In der Landtechnik dienen sie zum Beispiel als Antriebswelle bzw. Zapfwellen für die Gülletechnik oder werden bei Anbaugeräten wie Heuwendern eingesetzt.

Gelenkwellen Arten und Besonderheiten

Gelenkwellenart Zwischenwelle
Zwischenwelle von Welte

Kardanwelle

Kardanwelle (siehe auch Anbieter und Produzenten Kardanwellen) sind spezielle Gelenkwellen mit einem oder zwei Kreuzgelenken. Mit ihnen sind Drehbewegungen in einem geknickten Wellenstrang möglich.

Hauptgelenkwelle

Die gängigste aller Wellen ist die Hauptgelenkwelle (Kardangelenkwelle) mit Längenausgleich. Sie dient als Verbindungselement zwischen versetzt liegenden Achsen und kann betriebsbedingte Änderungen bei Längen ausgleichen.

Die Hauptgelenkwelle Wingstyle hat den Vorteil, dass die Zapfenkreuzgarnituren schnell gewechselt werden können, da sie lediglich verschraubt sind. Reparatur- und Wartungsarbeiten können somit in der Regel direkt an der Maschine vorgenommen werden. Wingstyle Gelenkwellen werden vor allem im Bergbau sowie bei Forstmaschinen eingesetzt.

Gelenkwellenkupplung

Gelenkwellenart Gelenkwellenkupplung
Gelenkwellenstrang von Welte

Für extrem kurze Einbaulängen dient die Gelenkwellenkupplung (Kupplung) in Kurzausführung ohne Kardanrohr. Häufige Anwendungsbereiche für Gelenkwellenkupplungen sind Busse und Baumaschinen.

Zwischenwelle

Eine Zwischenwelle kann man verwenden, wenn große Einbaulängen überbrückt werden müssen. Die Zwischenwelle enthält nur ein Gelenk und wird mit einem Zwischenwellenlager befestigt, damit kann aber kein Beugewinkel aufgenommen werden. Vorwiegend werden Zwischenwellen im Fahrzeugbau verwendet.

Gelenkwellenstrang

Der Gelenkwellenstrang ist eine Kombination aus Haupt- und Zwischenwelle. Es gibt die gesteckte Variante, die gleichzeitig als Längenausgleich dient und eine Variante mit Flanschverbindungen für die Verbindung mit einer Hauptgelenkwelle. Gelenkwellenstränge werden meistens für LKW Antriebe als Überbrückung vom Getriebe zur Hinterachse verwendet. Wenn die einzelne Gelenkwelle zu lang wäre, würden zu große Schwingungen auftreten, daher werden für bestimmte Anwendungsfälle Gelenkwellenstränge verwendet.

Gelenkwellenart Doppelgelenkwelle
Doppelgelenkwelle von Welte

Doppelgelenkwelle

Eine Doppelgelenkwelle ist für die Anwendung in Lenkachse gedacht. Mit dieser Gelenkwellenart kann die Drehbewegung und das Drehmoment auch bei eingeschlagenen Rädern übertragen werden. Einige Ausführungen verfügen über eine Sperrverzahnung für das Eingreifen der Differenzialsperre.

Gleichlaufgelenkwelle

In schwingungssensiblen Bereichen (z. B. bei Prüfständen, Pkws und Maschinen) finden Gleichlaufgelenkwellen Verwendung. Das wird durch den Einsatz von homokinetischen Gelenken gewährleistet.

Gelenkwelle als Gleichlaufgelenkwelle
Gleichlaufgelenkwelle von Welte

Einbaugrundsätze von Gelenkwellen

Für den Einbau von Gelenkwellen gelten spezielle Grundsätze. Wenn ein Gelenk abgewinkelt ist (Knickwinkel), entsteht eine ungleichförmige Drehbewegung (auch Kardanfehler genannt). Durch die beiden Gelenke wird der Kardanfehler ausgeglichen. In der Regel gibt es zwei häufige Anordnungsformen. Wenn der An- und Abtriebsflansch in den verschiedenen Ebenen parallel zueinander steht, spricht man von einer Z-Anordnung. Dabei müssen beide Gelenke den gleichen Beugewinkel aufweisen (β1=β2). Zudem sollten die inneren Gabeln in einer Ebene liegen. Wenn der An- und Abtriebsflansch nun abgewinkelt sind spricht man von einer W-Anordnung. Damit der Kardanfehler und der damit einhergehende ungleichförmige Lauf der Gelenkwelle ausgeglichen werden kann, gilt auch hier wieder β1=β2. In der Praxis ist die Einhaltung der Bedingung nicht immer ohne weiteres möglich, daher kann ein minimaler Differenzwinkel von ca. 1° - 1,5° toleriert werden. Größere Unterschiede, etwa Winkel von 3° - 5° können bei langsam laufenden Anlagen ohne besondere Nachteile auch noch tragbar sein. Aufgrund unterschiedlicher Drehzahl sollte stets ein Fachbetrieb zur Bestimmung des Betriebsbeugewinkels β1 und β2 herangezogen werden.

Gelenkwellen Z-Andordung und W-Anordnung
Z- und W-Anordnung Gelenkwellen

Zur Bestimmung der richtigen Gelenkwellen werden die Angaben der nachfolgenden Variablen benötigt:

  • Drehmoment (M)
  • Drehzahl (n)
  • Beugewinkel (β)
  • Betriebsfaktoren/Stoßfaktoren (KB)
  • Torsionssteife
  • Einbaulänge (LE)
  • Längenausgleich während des Betriebs (LA)

Zusätzlich sind spezielle Umgebungsbedingungen wie die Temperatur von Bedeutung.

Einbauhinweise: Vor Einbau der Gelenkwellen sind alle Stirnflächen der Flansche gründlich von Rostschutzmitteln, Schmutz und Fett zu säubern. Dabei ist wichtig zu beachten, dass die beweglichen Teile der Gelenkwelle zu Quetschverletzungen führen kann. Spezielle Schutzvorkehrungen zur Vermeidung von Verletzungen sollten vom Betreiber angebracht werden. Zusätzlich sollten die Anschlussflansche auf Rund- und Planlaufabweichung sowie Zentrierpassung prüfen. Die Verschraubungen sollten möglichst mit einem Drehmomentschlüssel gegenüberliegend angezogen werden. Vor der Inbetriebnahme sollten die Kreuzgelenke abgeschmiert werden.

Markt

Es gibt viele bekannte Firmen, die Gelenkwellen, Zubehör und Ersatzteile produzieren bzw. verkaufen. Hersteller wie Walterscheid, Genoma Normteile GmbH, Weasler, WiCHMANN, Voith und Welte Cardan entwickeln stets neue innovative Lösungen, die der zunehmenden Automatisierung gerecht werden. Viele Unternehmen bieten auch individuelle Leistungen und Sonderanfertigungen an - die Bauteile werden dann genau nach Bedarfsfall konfiguriert. Beim Kauf sollten auch Zubehör wie Zapfwellenverlängerungen, Flanschlager, Anbauteile oder Multifunktionsgetriebe sowie Anschlussarten (DIN, SAE, US-Normanschlüsse …) berücksichtigt werden. Zudem ist auf das Material, die jeweilige Baureihe und die Verarbeitungsqualität der Gelenkwellen zu achten. Anbieter wie BayWa, Westfalia, FAIE oder Gelenkwellen-Service Meissen bieten eine große Auswahl an Herstellern, Produkten und Ersatzteilen (Gleitringe, Kreuzgarnituren, Stern-/Zitronenprofile …) mit transparenten Preisen. Diese besitzen auch häufig Online Shops.

Geschichte der Gelenkwelle

25 v. Chr.
Ringgehänge eines "chinesischen Bettwärmers"
16. Jh.
Beginn der "Kardanischen Phase" mit dem Ringgelenk für einfache Bewegungsübertragungen von einer Achse auf die andere, deren Richtung von der ersten abweicht
1501 - 1576
Geronimo Cardano - Erste wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Wirkungsweise von Ringgelenken. Entstehung des Begriffs "Gelenkwelle"
1664
Patentierung des Ringgelenks durch Robert Hooke. Englischer Begriff: "Hooke's Joint" (Kreuzgelenk)
19. Jh.
Vermehrte Anwendungen von Gelenkwellen durch die fortschreitende Industrialisierung
20.Jh.
Zapfwellen setzen sich bei Antriebskonzepten von Fahrzeugen durch (Fortschritt Antriebstechnik)
1905
Erste Serienfertigung der Bauteile mit Gleitlagerung für die Automobilindustrie
1925
Start der Gelenkwellenproduktion bei der Rheinmetall Borsig AG in Sömmerda (Thüringen) - 1942: Während des zweiten Weltkrieges - Verlegung nach Stadtilm
1927
Ing. Alfred Hans Rzeppa entwickelt das erste homokinetische Gelenk (Gleichlaufgelenk mit Kugelführung in einem Käfig)
1930
Entstehung der Nadellagerbüchse in den USA
1957
Entwicklung der ersten Schwergelenkwelle mit einem Drehmoment von bis zu 250 kNm. Heute sind bereits mehr als 5.400 kNm möglich.
1990 - heute
Die lange Erfahrung über viele Jahre hinweg zahlt sich aus. Innovationen im Gelenkwellenbereich (Gewichtsreduktion durch beispielsweise hohlgebohrte Wellenmitnehmer und leichtere Kardanrohre, wartungsfreie Ausführungen)

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