EMV: Elektromagnetische Verträglichkeit

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EMV oder Elektromagnetische Verträglichkeit bezeichnet die Fähigkeit einer Einrichtung, eines Systems, oder eines Gerätes, in Ihrer/seiner elektromagnetischen Umgebung zufriedenstellend zu funktionieren, ohne in diese Umgebung, zu der auch andere Einrichtungen gehören, unzulässige elektromagnetische Störgrößen einzubringen und auch in dieser Umgebung den bestimmungsgemäßen Betrieb am geplanten Einsatzort unter den dort vorliegenden elektromagnetischen Umgebungsbedingungen sicherzustellen.



Elektromagnetische Verträglichkeit
'Elektrostatische Entladung - Funkenbildung bei der Luftentladung. Quelle: Würth Elektronik

Elektromagnetische Störungen (EMI) werden von jedem elektronischen Gerät ausgestrahlt. Diese wirken sich auf andere Geräte aus, können seine bestimmungsgemäße Funktion erheblich beeinträchtigen, weshalb die Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) an Bedeutung gewinnt.


Am Beispiel eines alten Fernsehers, der noch mit analogem Übertragungsverfahren arbeitet, lässt sich die elektromagnetische Verträglichkeit leicht veranschaulichen. Da bei der Entwicklung von alten Fernsehgeräten die Störfestigkeit noch nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt wurde, sind diese Rundfunkgeräte sehr anfällig für elektromagnetische Störungen. Das linke Bild zeigt den störungsfrei arbeitenden Fernseher, während man auf dem rechten Bild die Auswirkungen der elektromagnetischen Störungen sehen kann. Typische Geräte, die solche Störungen verursachen sind mangelhaft entstörte Staubsauger, Bohrmaschine und Motorroller. Die Ursache kann aber auch ein mangelhaft ausgeführter Antennenanschluss oder ein, wie oben erwähnt, nicht ausreichend störfestes Fernsehgerät sein.

Elektromagnetische Verträglichkeit, Störungen
Auf dem linken Bild sieht man den Bildschirm eines alten Fernsehgerätes, auf dem eine Frau gut zu erkennen ist. Auf dem rechten Bild sieht man die Auswirkungen von elektromagnetischen Störungen. Das Bild der Frau ist nur noch schlecht zu erkennen. Quelle: Würth Elektronik

Arten von elektromagnetischen Störeinkopplungen

Es werden vier Arten von elektromagnetischen Störeinkopplungen unterschieden. Mit Störeinkopplungen ist die Art des Weges gemeint, wie die Störung von ihrem Ursprung zur Senke, d.h. dem Empfänger gelangt.

  • Galvanische Kopplung: Diese entsteht durch direkten Stromfluss durch einen Leiter. Beispiele hierfür sind z.B. Kabel, Drähte, Leiterbahnen auf einer Leiterplatte oder auch Metallgehäuse.
  • Strahlungskopplung: Diese findet mittels elektrischen, magnetischen oder elektromagnetischen Wellen zwischen Störquelle und Störsenke statt.
  • Kapazitive Kopplung: Voraussetzung ist hier die Nähe zwischen Störquelle und Störsenke, sodass eine elektrische Kapazität zwischen beiden besteht. So wird von Störquelle zu Störsenke die Störung in Form von elektrischer Spannung übertragen.
  • Induktive Kopplung: Hier geschieht die Übertragung der Störung von der Störquelle zur Störsenke über ein magnetisches Wechselfeld, d.h. als Ursache eines Stromes durch einen Leiter der Störquelle, der über sein magnetisches Wechselfeld einen Elektrischer Strom im Leiter der Störsenke generiert.

Grundlagen

Damit ein Gerät oder eine elektronische Komponente elektromagnetisch verträglich ist, muss es seine Störemission in Form von elektromagnetischer Strahlung und/oder in Form von geleitetem Störstrom über Kabel unter spezifizierten Grenzwerten halten. Gleichzeitig muss das Gerät aber auch eine spezifizierte Immunität, d.h. Störfestigkeit gegen Störungen von anderen Geräten oder Komponenten aufweisen. Die Aufgabe des Sachgebietes der EMV ist es sicherzustellen, dass die in Normen spezifizierte Störemission so begrenz und die Immunität so sichergestellt wird, dass ein Gerät keine unbeabsichtigten Ausfälle zeigt, und auch keine Störungen an anderen Geräten verursacht.

EMV Regulierung

Der Ausfall eines elektronischen Gerätes kann harmlose, aber auch lebensbedrohliche Folgen haben. Um die Sicherheit elektronischer Geräte zu gewährleisten gibt es Richtlinien und Gesetze, welche die Einhaltung der elektromagnetischen Verträglichkeit vorschreiben. Diese Gesetze und Richtlinien beziehen sich auf Normen, in denen die Anforderungen an die Geräte die dazugehörigen Messvorschriften detailliert beschrieben sind. Es gibt sowohl europäische (EN) , als auch internationale Normen (IEC), die beachtet werden müssen. Bevor ein neues Produkt auf den markt gebracht wird, ist es wichtig zu wissen, welche Normen es erfüllen muss. Verantwortlich ist hierfür der Inverkehrbringer ("Hersteller"), d.h. derjenige, der das Produkt auf den Markt bringt. Dazu gehören auch Importeure, die so zum sog. "Hersteller" werden, sobald sie ein elektronisches Produkt in den europäischen Wirtschaftsraum einführen.

EMV Messungen

EMV-Labor
EMV-Labor bei Würth Elektronik eiSos in Waldenburg

Die Konformität, d.h. das Einhalten von Normen bezüglich Störemission und Störfestigkeit wird durch Prüfungen bzw. Messungen bestätigt. Dementsprechend gibt es Messungen, die jeweils über einen definierten Frequenzbereich die Störemission und auch die Störfestigkeit des Gerätes erfassen:

Störemission

  • Die elektromagnetische Emission (Feldstärke) des Prüflings wird typ. im Frequenzbereich zwischen 30 MHz und 6 GHz erfasst.
  • Die geleitete, d.h. über das Netzkabel abgegebene Emission (Störspannung) des Prüflings wird typ. im Frequenzbereich von 150 kHz bis 30 MHz gemessen.

Störfestigkeit

Prüfung leistungsgeführten Störfestigkeit Evaluation Borads

Bei allen Störfestigkeitsprüfungen wird während und nach dem Störeinfluss der bestimmungsgemäße Betrieb des Prüflings überprüft.

  • Bei der Störfestigkeit gegen elektromagnetische Felder wird der Prüfling mit elektromagnetischer Energie bestrahlt, der Frequenzbereich ist abhängig von der Gerätekategorie (typ. 30 MHz bis 3 GHz).
  • Bei geleiteten Störfestigkeitsprüfungen werden verschiedene Arten von Störströmen und transienten Störgrößen in Netz- und Datenkabel eingespeist. Zu den Störgrößen gehören z.B. Burst- und Surge-Impulse.
  • Die Prüfung der Störfestigkeit gegen Elektrostatische Energie (ESD) wird mit der sog. ESD-Pistole durchgeführt. Mittels der Pistole wird eine elektrostatische Entladung an den Prüfling geführt und die Reaktion des Prüflings während und nach der Entladung wird beobachtet. Typische elektrische Kenndaten der Prüfung sind Entladeströme bis 40 A und Entladespannungen bis 8 kV. Der Frequenzbereich des Impulses erstreckt sich wegen der kurzen Signalanstiegszeit bis in den GHz-Bereich.

Elektronische Filter

Der Zweck von elektronischen Filtern ist es, Signale in bestimmten Frequenzbereichen zu dämpfen und Signale anderer Frequenzbereiche möglichst nicht zu beeinflussen. Dementsprechend werden grob unterschieden:

  1. Tiefpassfilter: Signale bis zu einem bestimmten Frequenzbereich können „passieren“, Signale darüber werden gedämpft, bzw. gesperrt.
  2. Hochpassfilter: Signale bis zu einem bestimmten Frequenzbereich werden gedämpft, Signale darüber können „passieren“, bzw. werden durchgelassen.
  3. Bandpass und Bandsperre sind in Analogie zu Hochpass und Tiefpass zu sehen, mit dem Unterschied, dass Signale nur in einem bestimmten Frequenzband gedämpft oder durchgelassen werden.

Die am häufigsten verwendete Filtertopologie in der EMV ist der Tiefpassfilter. Ein „EMV-Filter“ für Datenleitungen beispielsweise beeinflusst das Datensignal nicht, Signale, die über dem Frequenzbereich der Datensignale liegen (abh. von Datenrate und ggf. Modulation), werden gedämpft, sodass hochfrequente Störungen, die innerhalb des Gerätes erzeugt werden, nicht über die Datenschnittstelle in das Kabel gelangen können.

EMV-Filter mit zusätzlichem Transienten Schutz

Um Geräte mit einem wirksamen Überspannungsschutz (Schutz gegen transiente Spannungen) zu versehen, müssen die realistischen Mindestanforderungen für den Schutz bekannt sein. Hilfe bieten hier die Standardspezifikationen für die Störfestigkeit im Rahmen der CE-Konformitätsprüfung für die elektromagnetische Verträglichkeit (EMV). Dort finden wir drei transiente Interferenzerscheinungen:

  • Elektrostatische Entladung (ESD)
  • Schnelle transiente Störungen auf Leitern (Burst)
  • Energiereiche transiente Störungen auf Leitern (Surge)

Entsprechend der Anforderungen und der Leitungsart (Netzleitung, Datenleitung, etc.) werden die Filter mit entsprechenden Bauelementen wie TVS-Dioden und Überspannungsableitern (Varistoren) ergänzt. Zusätzlich werden in Abhängigkeit der Schnittstellentopologie (symmetrisch, asymmetrisch) die Filter mit einfachen, oder stromkompensierten Drosseln versehen. Des Weiteren müssen beim Filterentwurf Eigenschaften, d.h. Parameter wie Stromlast, Signaldatenrate, Schnittstellenimpedanz, ggf. geltende Normen und Sicherheitsstandards berücksichtigt werden. Hier sei auf entsprechende Literatur wie die „Trilogie der Induktiven Bauelemente“, ISBN-13: 978-3899291513, verwiesen.

Audio-Schnittstelle

Auf diesem Bild sieht man ein Schaltungsbeispiel.
Würth Elektronik Schaltungsbeispiel: Audio Schnittstelle

Der Audioverstärker ist im PC von einem hochfrequenten elektromagnetischen Umfeld umgeben, das aus hochintegrierten schnell taktenden Kontrollern und dicht bepackten Leiterplatten mit vielen störintensiven Leiterbahnen besteht. Das Audiosignal hat eine Bandbreite von max. 20 kHz, Signale über dieser Frequenz können als Störsignale betrachtet werden. Erfahrungsgemäß müssen bei der asymmetrischen Schnittstelle aber nicht Störfrequenzen ab 20 kHz gefiltert werden, da diese nicht über Peripheriekabel abgestrahlt werden. Der notwendige Filterbereich beginnt hier ab ca. 40 MHz. Somit kann hier ein asymmetrischer Tiefpass als Filter im Schnittstellenbereich vorgesehen werden, der ab ca. 40 MHz Störsignale dämpft. Der Tiefpass besteht aus einem Kondensator und einer Induktivität, die hier als SMD-Chip Ferrit realisiert wird.  Die Verwendung des SMD-Chip Ferrits, wie z.B. WE-CBF (SMD Chip Ferrite) bietet durch den speziellen Aufbau des Bauelementes folgende Vorteile:

  • hochfrequente Entkopplung, besonders im Frequenzbereich von 20 MHz bis 1000 MHz
  • Dämpfung des Störsignals im Dämpfungsbereich durch die Wirkung als „Widerstand“
  • keine Beeinflussung des Audiosignals
  • die Möglichkeit einer durchgehenden automatischen SMD-Bestückung.

USB-Schnittstelle

Auf diesem Bild sieht man ein Schaltungsbeispiel für eine USB-Schnittstelle
Würth Elektronik Schaltungsbeispiel: USB-Schnittstelle

Symmetrische Schnittstellen funktionieren signaltechnisch gesehen, ohne Massebezug. Ein Beispiel ist die USB-Schnittstelle. Sie hat zwei Signalleiter, D+ und D-, über die das Signal zwischen den zwei Geräten, z.B. Notebook und Maus läuft. Eine solche Schnittstelle bedarf einer besonderen Filterung mit sog. stromkompensierten Drosseln, damit Störungen auf den Signalleitern effektiv gedämpft werden, die Signalanteile jedoch möglichst unbeeinflusst bleiben. Folgend ist ein Beispiel eines Filters für eine USB2.0 Schnittstelle gezeigt.

Tabelle zur Abbildung rechts
Komponente Beschreibung Elektrische Parameter
C1, C2 Kondensator 47 nF, 100 V, X/R
L1, L2, L3 SMD-Ferrit 600 Ω /100MHz, 1 A
L4 Stromkompensierte Drossel 90 Ω, 6 Ω, 370 mA
D1-D5, VR1 Diodenarray 2,5pF

Das TVS-Diodenarray begrenzt transiente Überspannungen, die durch ESD und Burstspannungen an der Schnittstelle auftreten können. Die Induktivität L4 ist eine stromkompensierte Drossel, die zusammen mit den parasitären Kapazitäten der TVS-Dioden ein Tiefpassfilter bildet. Dieses Filter beeinflusst durch die Stromkompensation von L4 im Differential Mode das USB-Signal nicht, filtert jedoch Störungen, die im Common Mode auf das Filter einwirken. Das vom Schnittstellenkabel kommende GND-Signal (der schwarze Draht im Kabel), wird über C2 und L3 gegen das Gehäuse gefiltert, bevor das Signal zur USB-Schnittstelle gelangt. Die 5V Stromversorgung „+VB“ ist mit deinem T-Tiefpassfilter gegen hochfrequente Störungen abgeblockt.

Filter für WiFi-Hybrid-Antenne

Auf diesem Bild sieht man ein Schaltungsbeispiel einer Wifi-Hybrid-Antenne
Würth Elektronik Schaltungsbeispiel: Wifi-Hybrid-Antenne

Ein immer wichtiger werdendes Thema ist die HF-gerechte Auslegung von drahtlosen Kommunikationsschnittstellen. Produkte wie Mobilfunktelefone und WiFi-Hubs beispielsweise, haben Antennen als Kommunikationsschnittstelle, die zum einen an die Sende- und Empfangselektronik angepasst werden müssen, zum anderen muss aber dafür gesorgt werden, dass die Produkte nur in dem für sie vorgesehenen Frequenzbereich senden und empfangen, damit andere Frequenzbereiche nicht gestört werden. Die folgende Abbildung zeigt eine Schnittstelle für ein WiFi-Port.

U1 ist ein Hybrid-Bandpass-Filter, das nur den Frequenzbereich um 2,45 GHz durchlässt. Über R1 und R3 kann alternativ eine externe Antenne an J1, oder die fest eingebaute Hybridantenne AE1 gewählt werden. Die Auswahl erfolgt über eine alternative Bestückung eines 0-Ohm Widerstands R1 oder R3. C99, C105, C9 und C100 bilden mit L3 einen -Tiefpass, der zur Anpassung der Hybridantenne an das 50-Ohm System vorgesehen ist. Im Schaltplan werden C99 und C100 nicht bestückt, sie dienen als zusätzliche Reserveplätze. L3 ist eine Keramik-Luftdrossel der Serie WE-KI, die Kondensator sind HF-Kondensator der Serie WCAP-CSRF. Das Filter Mit L12, C1 und L2 ist äquivalent zum Anpassen einer extern angeschlossenen Antenne. Die Anpassung erfolgt über die Messung der sog. Reflexionsdämpfung S11 an den Punkten R1 oder R3 mit einem Netzwerkanalysator. Die beste Anpassung ist erreicht, wenn der Wert S11 bei 2,45 GHz bei typ. unter -25 dB liegt. Dazu werden z.B. für die Hybridantenne die Bauteile C105, L3 und C9 dimensioniert.

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