Toyota Produktionssystem (TPS)

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Das Toyota Produktionssystem (TPS) ist ein Produktionssystem, bei dem die gesamte Tätigkeitskette von Auftragsannahme bis Auslieferung als ein einziges zusammenhängendes System verstanden wird. Ziel ist die wirtschaftliche Fertigung in kleinen Losen bei hoher Sortenvarianz.



Toyota Produktionssystem (TPS)
Der Ablauf beim Toyota Produktionssystem (TPS). Quelle: Joachim Mahr

Produktionssystem, bei dem die gesamte Tätigkeitskette von Auftragsannahme bis Auslieferung als ein einziges zusammenhängendes System verstanden wird. Ziel ist die wirtschaftliche Fertigung in kleinen Losen bei hoher Sortenvarianz. Das ermöglicht es dem Unternehmen, flexibel und kosteneffizient auf Markt-veränderungen zu reagieren und auch mit kleinvolumigen Aufträgen Profite zu erwirtschaften. Die Basis dazu bildet die geglättete Produktion. Darauf bauen die beiden Säulen Just-in-Time und Autonomatisierung auf.

Toyota schwingt sich schon fast beängstigend von einem Rekord zum anderen. Während die Wettbewerber Wachstum durch Zukäufe erzielen, um damit ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern, ist es bei der Toyota Motor Corporation genau umgekehrt: Durch ihre überlegene Wettbewerbsfähigkeit entsteht Wachstum, ohne dass ein anderes Unternehmen aufgekauft werden muss. Westliche Manager pilgerten nach Japan, um die Methoden des Toyota Produktionssystems zu studieren und diese in ihren eigenen Fabriken einzuführen. Doch der Erfolg war eher bescheiden, und der Tatendrang versandete. Wie ist das möglich?

Der Hauptgrund ist in einer Fehlinterpretation des Toyota Produktionssystems (TPS) zu finden, und zwar Anfang bis Mitte der er Jahre. Ausgelöst wurde diese Fehlinterpretation durch eine MIT-Studie über die Automobilindustrien Japans und westlicher Industriestaaten. Während die Kaizen-Systematik des Kontinuierlichen Verbesserungsprozesses unter Einbeziehung der Mitarbeiter durch zahlreiche Publikationen rasch bekannt waren und nachgeahmt wurden, blieben die angewandten Methoden und deren Zusammenhänge weitgehend unbekannt.

Dies führte zwar zu vorübergehenden, eher kleinen Verbesserungen, der durchschlagende wirtschaftliche Erfolg stellte sich jedoch nur bei jenen Unternehmen ein, die ihre gesamte Prozesskette auf den Prüfstand stellten und nach den Grundsätzen des Lean Manufacturing à la Toyota reformierten. Bei den Kaizen basierten Unternehmen schlief der Prozess oftmals bald wieder ein, weil er weder durch eine entsprechende Systematik noch durch das Management gestützt wurde.

Die Nachhaltigkeit ließ auch bei den wenigen Unternehmen zu wünschen übrig, die die Techniken des TPS verstanden haben und ihre Prozesse nach Analyse des gesamten Makro-Wertstroms optimierten. Zwar konnten sie durch die Einführung der geschaffenen Produktionssystematik erhebliche Kostensenkungen erzielen, diese wurden meist jedoch nicht weiterentwickelt, was häufig zur Rückkehr zum alten System führte.

Kaikaku = radikale Veränderung, Transformation, Revolution

Kaizen = Kontinuierliche Verbesserung, kleine Schritte

Man hat also nicht wirklich verstanden, dass die "DNA" von Toyota nicht nur aus der Methodenwelt besteht, sondern mehrere Dimensionen hat:

Methoden und Werkzeugen, die sichtbar sind, wenn man durch ihre Fabrik geht, und sich somit scheinbar leicht ins eigene Unternehmen übertragen lassen

Die nicht sichtbare und nicht einfach zu kopierende Art und Weise, mit der im Unternehmen kontinuierlich und systematisch neue Methoden kreiert werden.

Kopiert man also lediglich die Methoden, so hat man nur eine Momentaufnahme des Ist-Zustands, der morgen schon wieder ganz anders aussehen kann. Das ist es gerade, was Toyota ausmacht: Ein System, welches ständig neues Wissen generiert und somit das Unternehmen permanent am Limit hält.

Dieses Verhalten lässt sich in westlichen Firmen schwer nachahmen. Die Einführung von Methoden in Ingenieursmanier fällt uns leicht, während wir uns mit der Veränderung menschlicher Verhaltensweisen allzu oft sehr schwer tun. Der Schlüssel dazu liegt beim Management - und hier ganz besonders beim Management auf den unteren Ebenen.

Anfang der Neunziger Jahre hatten westliche Unternehmen aufgrund einer Falschinterpretation des Begriffs "Lean Production" viele Führungsebenen gestrichen, insbesondere im unteren Management. Sie hatten nicht erkannt, dass Toyota gerade hier seine entscheidenden Stärken hat, nämlich in den unteren Führungsebenen - gepaart mit einer ausgeprägten Nähe des gesamten Managements zum Shopfloor.

In vielen Unternehmen ging mit den unteren Führungsebenen das "Shopfloor-Management" verloren. Heute haben Personen in anderen Positionen das Sagen, was nicht immer mit den Zielen des Unternehmens vereinbar sein muss. Allzu schnell ist das Problem chronisch geworden, und man hat aufgegeben, etwas daran zu ändern. Die Kombination mit anderen Faktoren führt oft dazu, über die Verlagerung ins Ausland nachzudenken. Die Produktivitätspotenziale in deutschen Unternehmen liegen jedoch - gemessen an Toyota - bei bis Prozent, was eine vorschnelle Verlagerung überflüssig macht.

Diese damals verfolgte Kostenbetrachtung rächt sich heute, wenn man sich die nachfolgenden Ausführungen vor Augen hält. Bei Toyota liegt die Betreuungsdichte auf der untersten Führungsebene bei sechs bis zehn Mitarbeitern. Ein Team- bzw. Gruppenleiter, der im Durchschnitt nur acht Mitarbeiter betreut, kann sich intensiver um deren Weiterentwicklung kümmern und wesentlich mehr Funktionen wahrnehmen, die woanders von Fachabteilungen erledigt werden. Somit können Schnittstellenverluste vermieden werden, so dass der "Hancho" (japanischer Begriff für Gruppenleiter, bei Toyota heute "Team Leader" genannt) nicht "gebremst" wird und Effizienzverbesserungen in einer dramatischen Geschwindigkeit umsetzen kann.

Damit ein Eindruck über die Aufgaben eines Hanchos entstehen kann, folgt ein Auszug aus seiner Arbeitsbeschreibung, die sich auf die Themenblöcke Qualität, Produktion, Sicherheit und Sonstiges bezieht.

Ausschnitt aus den Arbeitsaufgaben Produktion:

Prozessentwicklung:

  • Feststellen der Prozess-Zykluszeiten und Ermitteln der Engpass-Prozesse
  • Austaktung der Linie bei Mengen- bzw. Taktzeitänderung
  • Sicherstellen von zwei umgesetzten Kaizen-Ideen pro Team-Mitglied und Monat

Meetings / Dokumentation:

  • Teilnahme und Unterstützung der Vorbereitung von Gruppen-Meetings in der Produktion
  • Unterstützung des Gruppenleiters bei der Erstellung von Plänen
  • Update der Prozess-Dokumentation zur Reflektierung von Verbesserungen
  • Erstellen von Standard-Arbeitsblättern

Prozessüberprüfung:

  • tägliche Überprüfung der Prozesse der Team-Mitglieder
  • stichprobenartige Checks, ob die Mitarbeiter entsprechend der Standards arbeiten
  • Verstehen der Zykluszeit von Betriebsmitteln
  • Zykluszeit-Überschreitung und Engpass-Reduzierung:
  • Kennen und Verstehen des Engpass-Prozesses innerhalb der Prozesskette
  • Beobachten der Andon-Signale, falls ein Mitarbeiter Probleme hat
  • Unterstützung des Gruppenleiters zu Gegenmaßnahmen bei Zykluszeitüberschreitung

Ausschnitt aus den Arbeitsaufgaben Qualität

Qualitätschecks:

  • Sicherstellung, dass die Team-Mitglieder die erforderlichen In-Process-Checks durchführen
  • Bestätigung, dass alle Check-Punkte dokumentiert sind

Defekt-Gegenmaßnahmen:

  • Unterstützung des Gruppenleiters bei Erziehung und Förderung der Team-Mitglieder zur Verhinderung von Defekten
  • Unterstützung des Gruppenleiters bei Defekt-Gegenmaßnehmen und Training der Werker in den "Learning Points" (Verhinderung des Wiederauftretens)
  • Durchführung von Quality-Reviews, Diskussionen über die Defekte und gemeinsame Entwicklung von Ideen zur Beseitigung

Hanchos überprüfen Ihre Mitarbeiter bzw. deren Arbeitsablauf und arbeiten bei Bedarf auch mit. Alle diese Punkte sind bis ins letzte Detail standardisiert und auf Basis der täglichen Anwendung strukturiert. So besteht der Themenblock "Produktion" aus sechs Hauptaufgaben mit insgesamt Aktivitäten und die Themenblöcke "Qualität" und "Sicherheit jeweils aus sechs Hauptaufgaben mit Aktivitäten. "Sonstiges" beinhaltet drei Hauptaufgaben (Instandhaltung, Kostensenkung und Moralverbesserung) und zwölf Aktivitäten.

Hierzu ist anzumerken, dass all diese Aktivitäten nicht etwa intuitiv durchgeführt werden, sondern konkreten und in sich geschlossenen Standards unterliegen. Überdies orientieren sich alle Aktivitäten an den Unternehmenszielen, die jährlich vom mittelfristigen Plan Jahres-Zeitraum) auf die Shopfloor-Ziele herunter gebrochen werden.

Vor dem Hintergrund dieses immensen Aufgabengebietes wird deutlich, dass eine Führungskraft mit deutlich mehr Mitarbeitern nicht die Zeit aufbringen kann, die erforderlich wäre, um alle Aufgaben tiefgehend wahrzunehmen und sich der Weiterentwicklung seiner Mitarbeiter entsprechend zu widmen. An dieser Stelle sollte noch einmal hervorgehoben werden, dass hier nicht über irgendeine Managementebene berichtet wird, sondern über die unterste Führungsebene. In deutschen Unternehmen ist dies meist der Vorarbeiter oder Gruppenleiter. Auf der anderen Seite wird aber auch deutlich, wie viel in die Ausbildung dieser Mitarbeiter investiert werden muss, bis sie ihre Rolle zufrieden stellend ausfüllen können. Man könnte durchaus behaupten, dass die Elite bei Toyota "unten" beginnt.

Wie erreicht man aber nun das Limit? Die wichtigste Grundlage dafür ist der Standard, wobei der Standard die zur Zeit beste Art und Weise ist, mit der die jeweilige Tätigkeit in Bezug auf Arbeitsinhalte, Abfolge, zeitliche Dauer und Ergebnis auszuführen ist. Der jeweilige Standardarbeitsablauf ist der bestmögliche für ALLE, egal ob Früh- oder Spätschicht, ob Bob in den USA oder Takahashi in Japan. Ohne Standard kann man den angestrebten vom nicht-gewünschten Zustand nicht unterscheiden!

Wichtige Tools für Standards: Das Standard-Arbeitsblatt

und das Kombinationsblatt

In den letzten Jahren ist in westlichen Unternehmen leider das Bewusstsein hinsichtlich der hohen Bedeutung von Standards verloren gegangen. Man überlässt es dem Mitarbeiter, wie er die Arbeit ausführt. Die Führungskraft interessiert sich bestenfalls erst dafür, wenn ein Problem auftritt.

Um signifikante Verbesserungen zu erzielen, ist die Eindeutigkeit in den Arbeitsabläufen notwendig. Deshalb sind Standards bei Toyota in erster Linie ein Instrument zur Identifizierung von Problemen. Sie gelten per Definition immer nur temporär und werden ständig überprüft und neu festgelegt. Der Standard ist quasi ein Katalysator für Verbesserungen oder - anders formuliert - eine Hypothese, die besagt, dass unter den gegebenen Bedingungen das erwartete optimale Ergebnis erreicht wird, während der Standardarbeitsablauf das Experiment (bzw. der Versuch) ist, welches die Hypothese testet. Das Problem stellt die Negation der Gültigkeit der Hypothese dar. Eine Verbesserungsmaßnahme ist also die Aufstellung einer neuen Hypothese bzw. eines neuen Standards. Das mag wissenschaftlich klingen, ist jedoch der Schlüssel zur Entstehung einer experimentellen Kultur, in der permanent versucht wird, das Limit durch neue Hypothesen zu verbessern.

Das Verbesserungspotenzial wird durch die Führungskraft vor Ort freigesetzt, indem der Teamleiter mehrfach beobachtet, wie der Mitarbeiter die Arbeit ausführt. Dabei versucht er nicht, Verbesserungsansätze dadurch aufzuspüren, indem er das Teammitglied anweist, wie die Arbeit auszuführen ist. Vielmehr ist die Führungskraft in speziellen Verbesserungstechniken ausgebildet: Durch eine spezielle Fragetechnik wird der Mitarbeiter zum Nachdenken stimuliert, damit er schließlich selbst auf die Lösung kommt. Diese Vorgehensweise erinnert sehr stark an Sokrates, der seinen Schülern nie eine Lösung servierte, sondern sie durch Fragen führte (z.B. "Woher weißt du, ob das Ergebnis deiner Arbeit dem gewünschten Soll entspricht?").

Es ist falsch anzunehmen, dass nur die Führungskräfte der untersten Ebene innerhalb der Produktion derart vorgehen. Jede Führungskraft hat zu Beginn ihrer Karriere in der Produktion gearbeitet und dabei diese Techniken gelernt und verinnerlicht. So wird sichergestellt, dass sie später in allen Ebenen und Bereichen angewandt werden - also nicht nur in der Produktion, sondern auch in allen indirekten Bereichen.


Literatur

Quelle: Toyota Motor Corporation :The Toyota Production System

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